Meine Mitarbeit am LinuxTag 2006

From: Martin Schulze <joey@infodrom.org>
Date: Thu Dec 01 2005 - 23:35:01 CET

Moin allerseits,

ich gebe endgültig auf.

Ich werde nicht an der Organisation des LinuxTag 2006 mitarbeiten.

Disclaimer: Dieser Brief ist nicht so strukturiert wie andere von mir,
denn ich habe meine Gedanken so niedergeschrieben, wie sie mir gerade
gekommen sind und möchte das als emotionale Note auch so belassen.

Dieser Brief ist wie bereits der Brief vom Oktober "Voraussetzungen
für weitere Mitarbeit" öffentlich.

Die Entscheidung, die Organisation des LinuxTag zu verlassen, ist mir
schwergefallen und es tut mir sehr weh, die Veranstaltung, an der ich
seit 1999 mitwirke, und die ich bestimmt zu einem Teil mitgeformt
habe, so gehen lassen zu müssen. Ich sehe jedoch für mich keine
akzeptable Möglichkeit mehr für eine Mitarbeit.

Auf meine am 28. Oktober verschickte Mail mit einer Liste von
Voraussetzungen, die für eine weitere Mitarbeit meinerseits erfüllt
werden müssen, wurde inhaltlich bisher nicht sichtbar eingegangen. In
den Protokollen der Telefonkonferenzen war nur zu lesen, daß über die
Mail gesprochen wurde, nicht jedoch, daß etwas geändert oder
angegangen werden soll.

Stattdessen wurde ein Telefonat mit mir geführt, das in meinen Augen
zu keinem Resultat geführt hat. Es war nett. Daß Martin Schulte ein
netter Mensch ist, wußte ich jedoch vorher auch schon. Um ein
weiteres hat Nils kürzlich gebeten. Ich sehe darin jedoch keinen
Sinn, insbesondere da ich explizit geschrieben habe, daß ich mit
seiner Art nicht klarkomme und eine weitere Zusammenarbeit ablehne.

Ich bin der Meinung, daß es ein ziemlich deutliches Zeichen ist, wenn
einen Monat später immer noch nicht inhaltlich auf meine Bedingungen
eingegangen wurde. Auch auf den Austritt von zwei weiteren Personen
(insges. jetzt 6 seit April) gab es keine akzeptable Reaktion. Es
scheint sich nichts zu ändern. Aus meiner Sicht ist das keine
Situation, mit der ich weiterarbeiten kann.

Ich bin nicht mehr bereit, wie bisher den LinuxTag zu organisieren.
Dafür ist mir in den letzten Jahren und ganz besonders seit 2004 viel
zuviel kaputt gegangen. Die Anfeindungen gab es zwar im letzten Monat
nicht mehr, doch wurde nicht zugesagt, daß unmögliches Verhalten nicht
mehr passieren wird. Von daher ist es nur eine Frage der Zeit, wann
es wieder eskaliert.

Da ich mit Nils in der Vergangenheit mehrfach aneinandergeraten bin
und ich mit seiner Art nicht klarkomme, ist es für mich eine Frage
Nils XOR ich. Eine meiner Bedingungen bestand deshalb darin, daß Nils
nur noch in seinem eigenen Bereich (Vortragsprogramm, ggf. Tutorien
o.ä.) arbeitet und nicht mehr übergeordnet - und schon gar nicht in
Bereichen, die meine übermäßig tangieren. Die letzten Wochen zeigen
jedoch, daß das anscheinend nicht der Fall sein wird. Daher ist
abzusehen, daß wir früher oder später wieder aneinandergeraten werden.
Das muß ich mir nicht geben.

Mir wurde der Vorschlag unterbreitet, daß mir Wolfgang Drotschmann als
neuer Angestellter für den LinuxTag Arbeit abnimmt, damit ich nur
noch 2h/Woche für den LinuxTag arbeiten muß und somit auch keine
Vergütung erhalten muß. Ich halte diesen Vorschlag für lächerlich
und realitätsfremd. Jeder, der auch nur ansatzweise mitbekommen hat,
wieviel Zeit ich in die bisherigen LinuxTage investiert habe, sieht
das.

Ohne mich beweihräuchern zu wollen, möchte ich ernsthaft die Personen
sehen, die meine bisherige Arbeit für den LinuxTag *neben* ihrer
sonstigen Arbeit leisten (Betreuung der Projekte, Helfer, Büro,
Verpflegung, Einkäufe, Koordination, Coding-Marathon, Community,
Mädchen-für-Alles, Problemsolver, Aufbaumonitoring, Organisation des
Abbaus, Lagerverwaltung, Informationsacquise, Koordination mit
Teilbereichen etc.).

In 2 Stunden pro Woche könnte ich nichts mehr für den bzw. auf dem
LinuxTag machen. Das ist lächerlich. Ich frage mich, ob mir damit
vielleicht durch die Blume gesagt wurde, daß a) meine Arbeit so gering
ist, daß sie locker von jemandem nebenbei übernommen werden kann und
b) ich gar nicht mehr mitarbeiten soll.

Nach reiflicher Überlegung muß ich allerdings auch sagen, daß ich so
gar nicht arbeiten möchte. Entweder arbeite ich richtig mit, was dann
auch ein größeres Commitment erfordert, oder gar nicht. Alles andere
ergibt für mich keinen Sinn und wäre nur kontraproduktiv.

Ohne mich als bisheriger Betreuer der Projekte einzubeziehen wurde auf
der WorldExpo in Frankfurt bekanntgegeben, daß die Fläche für Projekte
in 2006 auf 500m² aufgestockt werden soll. Wir haben in diesem Jahr
ca. 700m² für die Projekte genutzt, davon ca. 370m² in der
Gartenhalle, der Rest in der Stadthalle. Die Metrik, 500m² für mehr
zu verkaufen als 700m², finde ich interessant.

Auf meine Forderung, Vereinsgeschäfte öffentlich durchzuführen, wie
man es von einem ordentlichen offenen Verein erwarten sollte, wurde
ebenfalls nicht eingegangen. Die CeBIT-Aktion ist damit weder
dokumentiert noch für die Zukunft ausgeschlossen. Das ist nicht
tragbar.

Ich halte es für absolut erschreckend. Bis vielleicht auf den ersten
Punkt meiner Bedingungen sollten es alles Selbstverständlichkeiten
sein. Dennoch wurde nicht auf sie eingegangen. Niemand hat sich dazu
bekannt, das eine oder andere umzusetzen oder dabei zu helfen.
Offenbar besteht kein ernsthaftes Interesse der implizit
angesprochenen Personen, den LinuxTag wirklich wieder voranzubringen
und in einem Team zu organisieren. Dann halt nicht. Irgendwann ziehe
selbst ich die Reißleine.

Das ist meine Sicht. Hier wird bestimmt als Kommentar kommen, daß es ja
jetzt Telefonkonferenzen samt Protokollen gibt. Das ist schön und
gut, und anscheinend für viele auch wichtig. Damit werden jedoch
nicht die von mir beschriebenen Probleme aus der Welt geräumt.

Auf konkrete Fragen von mir, auch nach mehr Offenheit, wird nicht
eingegangen. Der bereits existierende Werbeplakat-Entwurf für 2006,
nicht zu verwechseln mit dem Preview-2006-Plakat (in Anlehnung an Free
Willy), ist trotz Anfrage noch nicht auf der Mailingliste des
Kern-Teams angekommen. Die Vorlagen für das Preview-2006-Plakat
wurden allerdings gestern verschickt.

Auf Anfrage nach einer Perspektive für mich habe ich als Kommentar zu
hören bekommen, daß ich mit gutem Beispiel vorangehen und mitarbeiten,
und damit die Kröte weiterhin schlucken soll. Ich bin seit April mit
gutem Beispiel vorangegangen. Was hat es gebracht? Es ist nur
schlimmer geworden. Das fand ich doch ein ziemlich starkes Stück.

Auf dem diesjährigen LinuxTag war es mir zum Glück aufgrund der vielen
Aufgaben, die ich übernommen habe, kaum möglich, an Sitzungen des
"Kernteams" teilzunehmen. Zu zweien habe ich es dennoch für ein paar
Minuten geschafft, was ich auch sogleich bereuen mußte.

Da ich sonst aufgrund der vielen Pflichten, die ich auf dem LinuxTag
wahrgenommen und für hinreichend wichtig erachtet habe, keine Chance
hatte, ordentlich an den Core-Sitzungen teilzunehmen, hatte ich
dennoch die meiste Zeit auf dem LinuxTag Spaß an der Organisation und
den beteiligten Menschen und konnte mich auf die Durchführung der
Veranstaltung konzentrieren.

In einer der beiden Sitzungen hat Nils versucht, Ruth mitten in ihrem
Prüfungsstreß fertig zu machen, indem er den von ihr erstellten Plan
der Ausstellung schlechtgeredet hat, der noch in 2004 völlig adäquat
war. Das war eine unmögliche Situation und ich wundere mich bis
heute, wieso Ruth so ruhig geblieben ist, denn ich habe als quasi
Unbeteiligter innerlich gekocht, und wie sie es überhaupt geschafft
hat, ihre Prüfungen und den LinuxTag unter einen Hut zu bringen. Nur
dank der Intervention von ergomedia ist die Situation nicht vollkommen
eskaliert.

In der anderen Sitzung wurde minutenlang über die Probleme beim
Eintritt lamentiert, da die Kasse nicht mit dem Ansturm der Besucher
klargekommen ist. Auf meinen Einwand, doch das Problem Problem sein
zu lassen und stattdessen eine Lösung zu suchen, wurde ich von Nils
lautstark zurechtgewiesen, daß jetzt doch über das Problem geredet
werden müsse.

Ich habe die Sitzung daraufhin verlassen, da nicht absehbar war, wann
wieder konstruktiv gearbeitet wird und ich sowieso nicht viel Zeit für
sie aufbringen konnte. Ich hatte noch dafür zu sorgen, daß die
Besucher und Aussteller die Hallen verlassen, die Räume für die Nacht
klar sind, Aushänge für den nächsten Tag vorzubereiten, das Büro
wieder etwas zu sortieren, aufgelaufene Arbeiten zu erledigen und
mußte mir so einen Quatsch nicht antun.

Mir war schon länger klar, daß es mit dem LinuxTag nicht mehr so
weitergehen kann wie bisher, denn wir haben uns in eine Sackgasse
manövriert. Bis zur Beauftragung der GUUG bzw. Open Services GmbH
als neuem Ausrichter des LinuxTag hat es mir allerdings kaum jemand
geglaubt. In 2006 wird der LinuxTag somit erstmalig nicht mehr vom
LinuxTag e.V. ausgerichtet.

Zum ersten großen Bruch kam es im März auf der sogenannten
Vollversammlung auf der CeBIT, in dessen Folge vier Personen, darunter
Klaus Knopper als Gründungsmitglied und ich, aus dem Verein
ausgetreten sind, da er für uns nicht mehr tragbar war. Das von uns
angekreidete Verhalten wurde nicht als Problem angesehen sondern
gutgeredet.

Ich habe mich damals aus mehreren Gründen entschieden, für 2005 die
Kröte zu schlucken, sozusagen mit gutem Beispiel voranzugehen und
trotz meines Austritts aus dem Verein dennoch die bisher von
mirzugesagten Aufgabenbereiche unter Vorbehalt fortzuführen:

 . Die Helfer- und Projekteplanung war bereits soweit
   vorangeschritten, daß es beiden sehr geschadet hätte, wenn ich
   alles hingeschmissen hätte.

 . Ich habe Ruth bei der Aufplanung Unterstützung in mehreren
   Bereichen zugesagt und Ruth hätte unter meinem Ausscheiden mehr
   gelitten.

 . Ich stehe auch weiterhin zur Idee der Veranstaltung und wollte
   diese so spät vor der Durchführung nicht mehr gefährden.

Diese Argumente zählen jetzt nicht mehr. Für mich sehe ich keine
Perspektive für eine weitere Mitarbeit. Daher sehe ich auch keinen
Grund für eine weitere Mitarbeit. Es tut mir im Herz und in der Seele
weh, aber irgendwann werde ich hoffentlich darüber wegkommen und mich
an die vielen schönen Stunden von 1999 bis 2005 erinnern, die es gab.

        Joey

-- 
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Received on Thu Dec 1 23:47:10 2005

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