#LinuxGER

Wiedervereinigung? *knurr*!

Marc-Sebastian Werner (marc@zedat.fu-berlin.de)
Wed, 8 Apr 1998 22:46:47 +0200

Message-ID: <19980408224647.60998@zedat.fu-berlin.de>
Date: Wed, 8 Apr 1998 22:46:47 +0200
From: Marc-Sebastian Werner <marc@zedat.fu-berlin.de>
To: linux-ger@infodrom.north.de, linux.de@klammeraffe.org
Subject: Wiedervereinigung? *knurr*!

Hallo Mit-IRCerinnen und IRCer,

ich aeussere mich genau 1 x zum Thema Channel-Wiedervereinigung.

Wie Ihr wisst, bin ich ab und zu auf #linuxger und ziemlich haeufig auf
#linux.de. Ich habe die Existenz der zwei Channels zur Kenntnis genom-
men. Da ich keine Zeit hatte, mir die Vorgeschichte dieser wundersamen
Vermehrung anzueignen, habe ich mich aus allen Diskussionen um Sinn und
Notwendigkeit dieser Massnahme herausgehalten. Wenn mich irgendjemand
gezwungen haette, mich auf eine 'Seite' zu schlagen, ist sicherlich
klar, fuer welche ich mich entschieden haette, aber das hat niemand
getan. Bis jetzt ging mich das ganze nichts an.

Ich nutze beide Channels tagsueber ein bisschen wie ein Radio, wie
irgendjemand in diesem Zusammenhang geschrieben hat, also zur Anregung
und fuer das Gefuehl, dass da draussen noch eine Restwelt ist, und
abends ausserdem um Leute zu treffen oder ihnen zuzugucken, die ich aus
dem einen oder anderen Grund interessant finde. Natuerlich finde ich es
auch vorteilhaft, wenn ich jemanden um Hilfe fragen kann, und ich
vielleicht auch mal selber irgendwem helfen kann und ich merke, dass ich
nicht der Bloedeste von allen bin. Im direkten Vergleich beider
Channels kam #linux.de diesem Nutzungsverhalten meistens etwas weiter
entgegen als #linuxger, und daher scheint mir meine 'Channel-Praeferenz'
vernuenftig zu sein, und ich verstehe sie als meine persoenliche Antwort
auf eine persoenliche Geschmacksfrage.

In dieser Idylle fuehle ich mich jetzt _empfindlich_ gestoert.

Die Argumente, die fuer einen einheitlichen Channel genannt wurden,
finde ich zum Teil einleuchtend, zum anderen Teil auch nicht. Sicher
ist es laestig, eine Frage vielleicht zwei Mal stellen zu muessen. Aber
wenn jemand diese Zeit nicht hat, dann hat er eine Erwartungshaltung an
die 'Serviceleistung' eines solchen Channels, der ich mich nicht
aussetzen moechte, es sei denn gegen ein marktuebliches Entgelt. Ich
kann mir auch vorstellen, dass es auf einem der Channels Leute gibt,
die mich furchtbar vermissen, wenn ich auf dem anderen Channel bin.
Bisher war's aber offenbar noch nie so furchtbar, dass sich irgend
einer bei mir beklagt haette (ich bin grundsaetzlich visible). Und
wer partout nichts verpassen moechte, dem tut das gute alte ircII
auch zwei Channels auf einen Bildschirm.

Waehrend ich also die Argumente fuer eine Wiedervereinigung der
Channels nicht zwingend finde, kommt mir das Verhalten von einigen
Vereinigungs-Architekten seeehr merkwuerdig vor. Ich fuehle mich an
den jungen Mann erinnert, der neulich vor unserer Firmentuere stand
und mir um jeden Preis drei Taschenlampen zum Preis von einer
verkaufen wollte, ersatzweise eine Familienpackung Zeichentrick-
Videos, oder wenigstens ein von Angehoerigen sozialer Randgruppen mit
verbundenen Augen mundgebatiktes Seidentuch. Ich weiss nicht mehr was
es war, aber was mir deutlich in Erinnerung geblieben ist, war der
krasse Gegensatz zwischen seinem Feuereifer und meinem Bedarf.

Man wird solche Leute nur mit grober Unhoeflichkeit wieder los, und
ich bin seltsamerweise gerade Leuten gegenueber sehr nachtragend,
die mich zwingen, unnoetig unhoeflich "Nein" zu sagen. Das ist der
erste Grund, warum mich dieser Wiedervereinigungseifer stinkig macht.

Zweitens fuehle ich mich richtig ernsthaft angefasst, wenn ich mit
Ideen konfrontiert werde wie der, einen Bot in #linux.de zu plazieren,
der joins verhindert. Ich schliesse daraus, dass hinter dem Eifer
der Argumentation nicht Sendungsbewusstsein und Weltverbesserertum
steht, sondern der sehr knapp bemaentelte Entschlossenheit, mit
dirigistischem Schnickschnack die Hoheit ueber ein Medium an sich zu
reissen, dass nun wirklich ein Paradebeispiel fuer Selbstorganisation
ist (wenn man vom Amoklauf der deutschen IrrCops in '95 absieht).

Solche Schnapsideen der Kategorie "Strategic Defense Initiative"
bedeuten einen unmittelbaren Eingriff in meine Freiheit, das Medium
IRC so zu nutzen, wie es konzipiert ist, wie ich es verstehe und
wie ich es nutzen will, siehe oben. Wer auf die Idee kommt, an solche
Eingriffe auch nur zu denken, ohne vorher das Einverstaendnis aller
potentiell Betroffenen einzuholen, zeigt damit eine Haltung dem IRC
gegenueber, die nicht nur anders ist als meine, sondern die ich auch
absolut indiskutabel finde (was ja nicht das gleiche ist) -- und
schlicht nicht tolerierbar.

Und Leuten mit so einer Haltung lasse ich mich auch dann nicht
mehr ueberzeugen, wenn sie irgendwann mal mit besseren Argumenten
kommen; ich will mit ihnen einfach nix zu tun haben.

Das Beispiel ist uebrigens willkuerlich gewaehlt; fuer explizite
'Op-Policies' und aehnlichen Amateur-Dirigismus gilt das Gleiche.
Wer immer diese Idee hatte, moege sich also bitte nicht persoenlich
gemeint fuehlen.

Kurz: so, wie einige von Euch diese Diskussion angepackt haben,
ist die Sache fuer mich klar -- ich bin und bleibe 100prozentig
gegen die Wiedervereinigung der Channels.

Phonk


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