Wo es der Kommission an Mut mangelte

From: Theodor.Schlickmann@cec.eu.int
Date: Mon Dec 09 2002 - 10:49:59 CET

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    Wo es der Kommission an Mut mangelte. Und das ist der Hauptaspekt, bei dem
    ich glaube, dass es der Kommission an Mut fehlte. Sie hatte den Verdienst,
    das Problem aufzuwerfen, das mit der Tatsache zusammenhängt, dass der
    Verfassungsvertrag alle derzeitigen Verträge ersetzen würde, die eindeutig
    abgeschafft würden. Nach der ehrgeizigen Konzeption von Valéry Giscard
    d'Estaing hieße dies: Wenn ein Land den neuen Vertrag nicht akzeptiert,
    würde es sich selbst außerhalb der erneuerten Union stellen. Es stimmt, dass
    sich komplexe Rechtsfragen stellen würden, weil für die Abschaffung der
    derzeitigen Verträge die Einstimmigkeit erforderlich ist; was ist zu tun,
    wenn ein Land ablehnt? Hier müssen die Juristen den Politikern den Vortritt
    lassen. Die Kommission hat es nicht gewagt, und ihr Dokument ist in diesem
    Punkt besonders schwach. Sie schreibt: "Das Risiko besteht, dass einige
    Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind, diesen Text zu ratifizieren
    (Anmerkung: den Verfassungsvertrag), und dass ein einziger Mitgliedstaat den
    gesamten Prozess verhindert." Man hätte hinzu fügen müssen: "was
    selbstverständlich undenkbar ist", und dann einen Satz folgen lassen, der
    hervorhebt, dass die EU mit dem abweichenden Land die Bedingungen seines
    Austritts aushandeln würde, aber dass keinesfalls eine einzige
    Ratifizierungsablehnung das große Vorhaben der Neugestaltung Europas
    vernichten kann. Anstelle einer Aussage dieser Art stellt die Kommission
    schlicht fest: "Diese Frage und die Möglichkeit, dass der künftige
    Verfassungsvertrag in Kraft tritt, bevor er durch sämtliche Mitgliedstaaten
    ratifiziert wird, müssen ausführlich vom Konvent geprüft werden".
    Inakzeptabel. Der Konvent ist dabei, eine historische, unersetzliche Arbeit
    zu leisten und muss es ablehnen, auch nur die Hypothese in Betracht zu
    ziehen, dass das "Nein" eines einzigen nationalen Parlaments das gesamte
    Projekt zerschlagen könnte. Die Kommission hätte zunächst eine solche
    Möglichkeit ablehnen und dann hervorheben müssen, dass die rechtlichen
    Modalitäten, um dies zu verhindern, geprüft werden. Das ist eine
    grundlegende Frage, besonders im Hinblick auf die Erweiterung, und man hätte
    die Position der Union sofort klar darstellen müssen um zu vermeiden, dass
    der Konvent einer ständigen Erpressung der weniger ehrgeizigen Länder
    unterliegt. Ich hoffe, dass der Konvent in diesem Punkt den Mut haben wird,
    der der Kommission gefehlt hat.

    Dr. Theodor Schlickmann
    Europäische Kommission
    Generaldirektion Energie und Verkehr
    Büro DM28 04-90, 1049 Brüssel
    Tel. +32 2 296 36 04
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    E-mail: Theodor.Schlickmann@cec.eu.int



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