JEF bei dpa

From: Jan Seifert (email@jan-seifert.de)
Date: Thu Jul 11 2002 - 21:37:06 CEST

  • Next message: Sancho Kleine: "Re: JEF bei dpa"

    Europas Jugend macht frische Vorgaben für die Zukunft des Kontinents

    Von Roland Siegloff, dpa =

        Brüssel (dpa) - Fantasie und Interesse ihrer Studienkollegen
    hatten Manuela Kunkel völlig überrascht. Wenige Tage, bevor die
    Berliner Romanistik-Studentin zum Jugendkonvent nach Brüssel reiste,
    hatte sie zu einer kleinen Informationsrunde über dessen Thema
    eingeladen: die Zukunft Europas. "Da kamen zwar sehr, sehr viele
    utopische Vorstellungen", erzählt die 22-Jährige, "aber es waren über
    50 Leute da, und mit so vielen hätte ich nicht gerechnet, weil so
    viele nie zu Treffen der Fachschaft kommen."
        Diese Woche nun berät Manuela Kunkel mit 209 Altersgenossen aus
    ganz Europa, wie sich die Wünsche der Jugend im Europa von Morgen
    verwirklichen lassen. Der Jugendkonvent will an diesem Freitag
    bereits Vorschläge präsentieren, die dann in die Ergebnisse des
    eigentlichen Konvents zur Reform der Europäischen Union einfließen
    sollen. Diesem Gremium erfahrener Politiker und Fachleute sitzt
    Frankreichs früherer Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing vor,
    mit inzwischen 76 Jahren ein altes politisches Schlachtross.

    "Wir haben sicherlich einen anderen Zugang zu Europa als Herr
    Giscard", meint die 19-jährige Anna Lührmann, die im Präsidium des
    Jugendkonvents sitzt. "Er sieht Europa eher als historisches Projekt,
    das es sicher auch ist. Wir sehen eher die praktischen Auswirkungen:
    Wir zahlen mit dem Euro und viele nehmen an Austauschprogrammen der
    EU teil." Für junge Leute, ergänzt die Philosophiestudentin Floriana
    Müller, sei das grenzenlose Europa fast selbstverständlich: "Man
    kennt jemanden in Frankreich und besucht eine Freundin in Polen."
        Europäisches Denken ist nicht auf die ausgewählten Teilnehmer des
    Jugendkonvents beschränkt. 86 Prozent der jungen Europäer fänden es
    sehr oder ziemlich wirksam, wenn jeder einen Teil seiner Schul- und
    Studienzeit oder Ausbildung im EU-Ausland verbrächte. Und sie
    äußerten in einer aktuellen Umfrage der EU-Kommission auch klare
    Vorstellungen davon, worum sich der Konvent besonders kümmern soll:
    Höchste Priorität haben der Kampf gegen Arbeitslosigkeit, soziale
    Ausgrenzung und Armut sowie die Themen Menschenrechte und Umwelt.

    "Es geht darum, dass man eine Vision hat, wie Europa in der
    Zukunft aussehen soll und wie wir die Europäische Union ausgestalten
    wollen", meint Anna Lührmann. Ihr Kollege Jan Kreutz (22), der als
    Mitglied der Jungen Europäischen Föderalisten in den Jugendkonvent
    kam, mahnt unterdessen zur Wachsamkeit: "Die Anti-Europäer sind sehr
    gut organisiert - auch im Konvent." Grundlagen einer europäischen
    Verfassung etwa seien dort bisher kaum diskutiert worden.

        Die Jugendlichen glauben indes fest daran, dass Präsident Giscard
    und sein Gremium an den Argumenten des Jugendkonvents nicht vorbei
    können. "Ich denke, wenn wir starke Vorschläge machen, wird der
    Konvent das auch berücksichtigen", meint Anna Lührmann und fügt
    hinzu: "Ich habe mehr scherzhaft gesagt, dass eigentlich der ganze
    Konvent aus jungen Leuten bestehen sollte." Zu dem Zeitpunkt war der
    76-jährige Giscard allerdings nicht im Saal.

        Um die Aufnahme ihrer Anliegen in das Abschlussdokument des
    Konvents im kommenden Jahr überprüfen zu können, dringen die
    Jugendlichen auf ein Folgetreffen. "Am Geld muss das nicht
    scheitern", meint Jan Kreutz, "wir können auch in der Jugendherberge
    übernachten." Für ihr erstes Treffen brachten die Organisatoren die
    jungen Leute in einem Fünf-Sterne-Hotel neben dem Europa-Parlament
    unter - "super nah und super luxuriös", wie Floriana Müller bemerkt.
    Eine Übernachtung mit Frühstück kostet dort 188 Euro.

    ©dpa

    111127 Jul 02



    This archive was generated by hypermail 2.1.4 : Thu Jul 11 2002 - 21:35:51 CEST