Liebe Freunde,
am 26.06.2002 findet eine Anhörung zum Verfassungskonvent in einer gemeinsamen
Sitzung der Europaausschüsse von BT und BRat statt. Dort ist auch die
JEF eingeladen und wird vom Bundesvorsitzenden David
Schneider-Addae-Mensah vertreten.
Diese Anhörung ist auch für die JEF eine Gelegenheit, sich intensiv
mit dem aktuellen Stand des Konvents auseinanderzusetzen. Diese mail
soll dazu dienen, Anregungen zu geben und feedback anzuregen. Wir
möchten möglichst umfassend und vielseitig informiert in die Anhörung gehen
und sind deshalb auch an einem Austausch mit anderen NGOs interessiert.
Natürlich richtet sich Aufforderung zur Diskussion aber auch an alle JEFfer.
Als Anstoß einige Thesen, die aus meiner Sicht in unserem Beitrag in
den Vordergrund gerückt werden sollten:
1. Der Konvent muss zu einer Verfassung für die EU führen.
Die Union muss sich von den Mitgliedsstaaten emanzipieren und als
eigenständige politische Kraft und Entscheidungsebene etablieren. Ohne
diese Vertiefung kann die Erweiterung nicht gelingen. Nur durch eine
Reduzierung mitgliedstaatlichen Einflusses kann die EU
a. effektiv Handeln
b. Zustimmung der Bürger zur Integration gewinnen
2. Die Verfassung ist nicht Schlusspunkt, sondern Auftakt einer
dynamischen Erneuerung der EU.
Europa ist mit diesem oder einem anderen "basic treaty"
nicht fertig, sondern offen für die Aufgaben der Zukunft. Der Konvent
ist als Verfassungsgeber nur dann legitimiert, wenn die Bürger die
jetzige mangelhafte Öffentlichkeit später einholen und aufholen können,
indem sie sich in den Reformprozess einschalten.
Eine offene Verfassung heißt:
a) Kompetenzen werden nicht auf ewig festgeschrieben, sondern dem Verfahren
zu ihrer Ergänzung und Anpassung kommt besondere Bedeutung zu.
b) der Verfassungsvertrag ist ergänzungsfähig. Auch hierfür muss es
ein Verfahren geben, das vor allem Wert auf Einbeziehung der Bürger
legt, so per obligatorischen Verfassungsreferendum für jede von
Parlamentsseite beschlossene Revision.
3. Der Konventsentwurf muss die EU als Union der Staaten und Bürger neu
begründen.
Die europ. Integration war bislang ein zwischenstaatlich ausgehandeltes Projekt
westeuropäischer Eliten, die so den Steuerungsverlust der europ.
Nationalstaaten auffangen wollten. Diese Periode ist an ihr Ende
gekommen, weil die Eingriffe auf europ. Ebene so tiefgreifend werden,
daß sie nicht mehr aus den nationalen politischen Systemen der
Mitgliedstaaten heraus legitimiert werden können.
Die Integration kann deshalb nicht mehr nur auf
den Schultern der Eliten ruhen, sondern muss ebenfalls von einer
breiteren Öffentlichkeit geschultert werden.
Union der Bürger heißt eine demokratische Öffnung der EU. Dabei stehen
drei Mechanismen im Vordergrund:
a) Subsidiarität/Föderalismus. Politische Integration gelingt (oder
scheitert) auf der lokalen Ebene. Dort muss so viel
Entscheidungskompetenz wie möglich angesiedelt sein.
b) Parlamentarisierung der EU wie wir es seit langem fordern
c) direkte Mitbestimmung per Volksentscheid bei Verfassungsänderungen,
aber auch per Initiative von den Bürgern ausgehend.
4. Der Konvent muss sich von der Regierungskonferenz emanzipieren.
Nach Auskunft von Konventsmitgliedern ist die Arbeit im Konvent
bislang unproduktiv und ergebnislos. So wird u.a. die unklare Ziel-
und Aufgabenstellung und die schlechte Organisation der Konventsarbeit
beklagt.
Die Selbstblockierung des Konvents ist vor allem seiner Unterordnung
unter die Regierungskonferenz Ende 2003 geschuldet. Bis jetzt
sieht es so aus, als ob die Konventsvorlage in einer der obskuren
Regierungskonferenzen versickern könnte und das mickrige Resultat dann
durch die nationalen Ratifizierungsprozesse läuft. Dem muß der Konvent
selbst einen Riegel vorsetzen und sich damit selbst unter höheren
Erfolgsdruck setzen.
Dabei hat der Konvent als Verbündeten nicht die unter
Regierungskontrolle stehenden Parlamente, sondern das Volk.
Gegen die Regierungskonferenz kann er sich nur mit dem
Appell ans Volk zur Wehr setzen, und zwar als Forderung einer
Volksabstimmung über den Konventsentwurf. Wenn diese Forderung aus der
Mitte des Konvents käme, könnten sich ihr weder Regierungen noch
Giscard widersetzen.
Ich stelle mir eine solche Volksbefragung als
politisches und nicht juristisches Verfahren vor: eine Befragung aller
EU-BürgerInnen zum Vertragstext. Das Ergebnis ist politisch
hochgradig aussagefähig und wird in die Regierungskonferenz und die nat.
Ratifizierungsprozesse einfließen. Wenn die reformierte und
erweiterte EU als Union der Staaten und Bürger geboren werden soll,
dann nur in einer europaweiten Volksbefragung. Sonst ist sie lediglich die
Fortsetzung der alten Methode mit leicht veränderten Mitteln.
Soweit und etwas länger als beabsichtigt Thesen für die Anhörung im
Bundestag. Über Rückmeldungen freut sich der Bundesvorstand der JEF -
entweder über diese Liste oder an buvo@jef.de.
Föderalistische Grüße
Lutz Hager
Stellvertretender Bundesvorsitzender der JEF
Lutz Hager mailto:lhager@zedat.fu-berlin.de
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