[FYI] Pflichtlektuere im Digitalen Zeitalter


Subject: [FYI] Pflichtlektuere im Digitalen Zeitalter
From: Axel H Horns (horns@t-online.de)
Date: Thu Feb 03 2000 - 21:59:02 CET


http://www.nysd.uscourts.gov/courtweb/pdf/00-01149.PDF

http://cryptome.org/dvd-mpaa-3-mo.htm

Unter beiden URLs findet man die Begruendung des Bezirksrichters
Lewis A. Kaplan am US-Bezirksgericht New York Sued, der kuerzlich das
noch junge U.S. Digital Millennium Copyright Act ("DCMA") in Sachen
U.S.-Filmindustrie ./. Shawn C. Reimerdes et al. auslegte, was im
Ergebnis zu einer einstweiligen Verfuegung fuehrte, mit der den
Beklagten das Webhosting der sog. DeCSS-Software untersagt wurde.

Es ist, wie gesagt, U.S.-Recht, fuer das es noch kein Counterpart in
Europa gibt. Aber es ist gleichzeitig ein Blick in eine nahe Zukunft,
in der die Verwertungswirtschaft die Bedingungen, unter denen
geistige Inhalte konsumierbar sind, autonom festsetzt und dem
Konsumenten gegenueber technisch durchsetzt, wobei der Gesetzgeber
dafuer Sorge traegt, dass niemand an den dafuer vorgesehenen
technischen Vorkehrungen herumfummelt:

http://europa.eu.int/eur-lex/en/com/dat/1998/en_598PC0249.html

Die altbewaehrten "Schranken des Urheberrechtes" gibt es dann de
facto nicht mehr, denn das, was dann noch erlaubt ist, kann durch die
Verwerter nach Belieben durch technische Mittel verunmoeglicht
werden, und diese technischen Mittel selbst werden grossraeumig mit
einem gesetzlichen Schutz sozusagen "sui generis" gegen manipulative
Eingriffe Dritter geschuetzt.

Dass Richter Kaplan in seiner Begruendung stets haarscharf an den
tatsaechlichen technischen Gegebeneheiten vorbeiargumentiert, aendert
daran nichts. CSS ist kein Kopierschutzprogramm, denn es hindert
niemanden daran, eine bitgetreue Kopie einer DVD zu erstellen, die
dann mit jedem lizensierten DVD-Player abspielbar waere. Es geht
vielmehr um die technische Durchsetzung der Regionalcodes, die sich
nicht auf das Urheberrecht stuetzen kann. Regionalcodes sind nur
technisch durchsetzbar, indem dafuer gesorgt wird, dass nur DVD-
Player auf dem Markt sind, die den Regionalcode beachten und bei
Nichtuebereinstimmung den Dienst versagen. Genau das ist der Zweck
von CSS. Lizensiert und mit dem Descrambling-Key versorgt wird nur,
wer verspricht, ausschliesslich solche Player auf den Markt zu
bringen, die den Regionalcode beachten. Davon ist bei Richter Kaplan
freilich nicht die Rede.

Was in naechster Zeit anstehen koennte, ist beispielsweise eine
technisch armierte Beschraenkung, von eigenen Kaufstuecken digital
gespeicherter Werke (nicht Software!) fuer den privaten Eigengebrauch
Kopien ziehen zu koennen. Wegen der begrenzeten technischen
Gebrauchsdauer einzelner Kaufstuecke digitaler Medien bedeutet dies
de facto, dass es insoweit keine privaten Archive mehr geben wird,
denn nach 5-10 Jahren ist das Speichermedium defekt oder es gibt
keine passenden Abspielgeraete mehr. Der Endkonsument kann den Inhalt
nicht mehr auf ein "neues" Speichermedium umkopieren; nur der
Rechteinhaber hat das Archivmonopol, da er nach Belieben die Inhalte
digital umkopieren und somit ueber einen langen Zeitraum archivieren
kann. Was der Rechteinhaber nicht mehr verkaufen will (oder *darf*!,
der Staat koennte sich hier auch noch einmischen), ist nach
spaetestens ein bis zwei Jahrzehnten fuer den Normalverbraucher
einfach nicht mehr verfuegbar.

Leute, schmeisst eure Hardcopy-Buecher nocht nicht weg, vielleicht
werden wir sie noch einmal brauchen.

--AHH



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