Sozialverfassung der EU

From: Lutz Hager (lhager@zedat.fu-berlin.de)
Date: Sat Feb 15 2003 - 14:06:35 CET

  • Next message: Marc-Oliver Pahl: "Bundestag und Assemblée Nationale: Gemeinsame Sitzung der EU-Auss."

    Liebe Freunde,

    hier einige Ergebnisse der Sitzung des Parlamentarischen Forums Europäische
    Verfassung zum Thema "Die zukünftige Wirtschafts- und Sozialverfassung der
    EU" am vergangenen Montag.

    Referenten zum Thema waren Prof. Dr. Jürgen Meyer, Vertreter des
    Bundestages im Verfassungskonvent, sowie Dr. Eva Högl, Referentin im
    Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Referat Europäische
    Beschäftigungspolitik und Europäisches Arbeitsrecht. Prof. Meyer stellte
    die im Verfassungsentwurf des Konventspräsidiums enthaltenen Bestimmungen
    zur Sozialpolitik als weitreichend dar, wies jedoch auf viele unklare
    Formulierungen hin und betonte, dass insbesondere die Grundrechte-Charta
    verbindlicher Teil der Verfassung werden müsse, um den dort
    festgeschriebenen Schutzstandards Rechtsgeltung zu verschaffen. Im Sinne
    eines stärkeren Bezugs auf den einzelnen Bürger sei auch eine Änderung von
    Art. 1 Präsidiumsentwurf "Union der Staaten und Völker" notwendig. Dazu
    würden die Sozialdemokraten im Konvent einen Antrag stellen.
    Dr. Högl zeichnete die Rolle der Soziapolitik im Verlauf der europäischen
    Integration nach und wies auf die Schieflage zwischen umfangreicher
    wirtschaftlicher Integration und der späten Berücksichtigung sozialer
    Belange hin. Dies sei auch im vorliegenden Konventsentwurf noch nicht
    ausreichend korrigiert.

    Themen der sich anschließenden Diskussion waren insbesondere
    - der Wirtschafts- und Sozialausschuss, der allgemein für dringend
    reformbedürftig befunden wurde,
    - Perspektiven für Daseinsfürsorge und Sozialpartnerschaft auf europäischer
    Ebene
    - und der schon angesprochene Präsidiumsentwurf.

    Zu letzteren einige Beiträge: Es wurde angezweifelt, dass die in den
    Zielbestimmungen enthaltene Verpflichtung auf "Solidaritä" gleichbedeutend
    mit der Grundgesetzverpflichtung auf Sozialstaatlichkeit sei. Hier sei auf
    die Kompatibilität der Zielbestimmungen mit den konkreten Aufgaben und
    Kompetenzen der EU zu achten - dies wurde besonders von Seiten des DGB
    hervorgehoben.
    Andererseits, entwickelte sich eine Kontroverse, solle man unerfüllte
    Hoffnungen auf die Ausweitung sozialer Standards nicht auf die EU
    projizieren. Gerade die hohen bundesdeutschen Standards wären auf
    europäischer Ebene wohl nur schwerlich zu erreichen. Auch unterhalb einer
    Vergemeinschaftung setzt die EU jedoch über die Haushaltsverpflichtungen
    des Stabilitätspakts mitgliedstaatlichen Anstrengungen Grenzen, so dass man
    die wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele der Union immer gemeinsam
    betrachten müsse. Damit - und hier waren die Meinungen ebenfalls geteilt,
    sei aber nicht die Notwendigkeit zu einer immer weiter gehenden
    Vergemeinschaftung der Sozialpolitik nach dem Modell des Binnenmarktes
    verbunden. Hier müsse man die Kompetenzbestimmungen des Präsidumsentwurfes
    genau lesen, könnte aber vor Erscheinen des zweiten Teils nur Mutmaßungen
    anstellen.

    Insgesamt wurde die Einschätzung geteilt, dass Sozialpolitik gerade im
    Vergleich zur Institutionenreform noch ein stark unterbelichteter Teil der
    Konventsdiskussion sein. Und das, obwohl Europa den Bürgern gerade auf dem
    Feld der Sozialpolitik direkt erfahrbar sei und nutzbar gemacht werden müsse.

    Viele Grüße

    Lutz Hager

    Lutz Hager
    stellvertretender Bundesvorsitzender
    Junge Europäische Föderalisten e.V.
    Haus der Demokratie und Menschenrechte
    Greifswalder Str. 4
    10405 Berlin
    Tel. 030-42809035
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