From: David Schneider-Addae-Mensah (addaeme@yahoo.de)
Date: Wed Sep 11 2002 - 11:15:19 CEST
Gedanken zum 11. September
Ein Jahr ist ins Land gegangen, und Amerika hat sich
noch immer nicht beruhigt. Ein Jahr ist ins Land
gegangen, und die Welt hat noch immer nicht erfahren,
was die wahren Hintergründe jenes Tages waren, da zwei
Passagierflugzeuge zwei Bureautürme in New York und
ein drittes ein Gebäudeteil des Pentagon zum Einsturz
brachten.
Gewiß, man hat der Welt eine Reihe Geschichten
erzählt, von islamischen Fundamentalisten, von einem
angeblichen Islamisten, der sich in irgendwelchen
Höhlen in Afghanistan aufhalte und den man "tot oder
lebendig" fangen müsse. Es wurde erzählt von der
Gefahr des islamischen Fundamentalismus und vom damit
zwangsläufig verbundenen internationalen Terrorismus;
gar Kriegserklärungen wurden gemacht gegen solche
Erscheinungen.
Die westlichen Medien haben sich alle Mühe gegeben,
das Ereignis vom 11. September als Werk islamischer
Fundamentalisten darzustellen, haben mitgebaut am
Mythos des angegriffenen Amerikas, dem man so nahe
stehe, daß man ihm in dieser ach so schweren Stunde
beistehen müsse, "uneingeschränkt solidarisch", als
Amerikaner sich fühlend gar. Die islamische Welt indes
hielt noch nicht einmal dagegen, um sich gegen den
Vorwurf der eigenen Gefährlichkeit zur Wehr zu setzen,
sondern genoß die ihr zufallende gesteigerte
Wichtigkeit zusehends.
Laut war das Geschrei der liberalen europäischen
Presse gewesen, als die NATO zur eigenen
Existenzsicherung am Ende des letzten Jahrtausends
ihre neue Strategie auftischte, in der sie neue
Feindbilder ausmachte, die vor allem im Orient mit
seinen fremdartigen Lebensweisen und seinen doch wohl
steinzeitlich anmutenden religiösen Grundlagen zu
suchen sei. Umso mehr verwundert die Kehrtwendung auch
liberaler westlicher Stimmen nach dem 11.09.2001. Da
wurde plötzlich in kollektiver Betroffenheit des
Westens der islamische Osten als tatsächlich
gefährlich für den Internationalen Frieden und die
schon in der Neuen NATO-Doktrin zum non plus ultra
erhobene Internationale Sicherheit bezeichnet. Wie
selbstverständlich wurde mit den Amerikanern
Solidarität geübt, auch uns in Europa könne
schließlich ein ähnlicher Anschlag passieren;
angeblich hatte es gar schon Planungen für einen
solchen auf den Straßburger Weihnachtsmarkt gegeben.
Wir werden die Wahrheit um die Ereignisse des 11.
September 2001 nie wirklich erfahren. Juristen werden
sich in ihrer gewohnten Korrinthenkackerei mit ihrem
viel zu klein geratenen Handwerkszeug an diese für sie
fünf Nummern zu großen Fälle machen. Mit der
Sandkastenschaufel werden sie versuchen den Sand aus
der Wüste zu schaufeln, Prozesse über Prozesse
abhalten, um am Ende zu sagen: so könnte es gewesen
sein, so glauben wir es und doch wird der Out-Put
dieser sogenannten juristischen Aufarbeitung gleich
Null sein.
Wer immer hinter den Anschlägen vom September 2001
auch steckt, eins ist klar: den USA kamen die
Anschläge sehr zu passe. Endlich hatte man die nötige
"Legitimation" für außenpolitisches Engagement mit der
Flinte. Nun konnte der Junior anknüpfen, wo der Senior
aufgehört hatte: einen Generalkrieg erklären, gegen
den islamischen Terrorismus, gegen Osama bin Laden,
Afghanistan, die Bürgerrechte und überhaupt gegen
alles, was sich Amerika, der guten Nation, in den Weg
stellt und ergo schlecht ist. Da reifte der Bush-Boy
zum Manne, zum amerikanischen Manne natürlich, dem
sein texanisches Cowboy-Image und sein infantiles
Äußeres gar trefflich zu Gesichte steht.
Die kurzsichtigen europäischen
Solidaritätsbekundungen, mancherorts zu wahren
Verbrüderungsszenarien mutiert, erlaubten ohne
weiteres den Angriff eines für die USA strategisch
wichtigen mittelöstlichen Landes, dessen Regime
ohnehin allerorten nur Abscheu hervorrief und von dem
man nun bequem behaupten konnte, daß sich dort die
Delinquenten des New Yorker Hochhaussturms befänden.
So schoß man in der Folge monatelang auf afghanische
Lehmhügel und schießt noch heute. Sogar einiger der
ungeliebten Taliban-Kämpfer konnte man habhaft werden
und transprotierte sie ganz geschwind ab in sichere
Gefilde, wo sie ohne rechtsstaatliche Absicherung
erstmal hinter hohem Stacheldraht verschwanden, ganz
gleich, ob sie mit dem Anschlag vom 11. September
etwas am Hut hatten, oder nicht. Den eigentlich
Gesuchten aber fand man nicht. Osama blieb
verschollen. Gar furchtbar ärgerte das unsere kleinen
Amerikaner, daß in einer Zeit der Durchschnittlichkeit
der kluge Osama mit seinen intelligenten Augen und
seiner guten sozialen Herkunft der Ansammlung
herrschender Dummheit die Stirn bietet. Dabei ist doch
völlig klar, daß heute nunmal Durchschnitt, Masse,
Volk und Dummheit die einzig wahren Herrschenden sind,
die Guten sind, die sich gegen die böse Intelligenz
zur Wehr setzen müssen, mit allen Mitteln, mit einem
Krieg gar.
Angesichts solcher Zustände, die Amerika erzeugt und
ausgebrütet und über den Großen Teich hat schwappen
lassen, erscheint die Gefahr groß, daß auch Europa vom
Dummheitsvirus seiner ehemaligen Kolonie erfaßt wird.
Die nächsten Aktionen gegen Nahost sind schon in die
heiße Vorbereitungsphase getreten: Irak, Sudan,
Nordkorea. Und der Proletarier-Sohn von der einst so
elitären Briten-Insel steht bereit, um seinesgleichen
auf der anderen Atlantik-Seite mit Rat und Tat zu
unterstützen.
Wann endlich lernt Europa, daß es nicht Amerika ist,
daß es nicht mit Amerika ist, daß es Europa ist mit
seinen eigenen Interessen, die sowohl jenen der
Amerikaner, als auch jenen der Araber entgegenstehen
mögen? Wann endlich kapiert der alte Welt-Kontinent,
daß er mit einer eigenständigen Brückenfunktion nach
Nahost, Afrika, Rußland, Asien und Südamerika eine
einmalige Stellung in der Welt hat? Wann endlich
akzeptiert Europa seine eigene Größe und Berufenheit
zum Hegemon und versenkt diese pseudo-hegemoniale
Auswanderer-Nation der Gestrandeten, Glücksritter,
Sträflinge und Cowboys?
Es wird nicht viel Zeit bleiben, um der Welt mit einem
stabilen Europa ein stabiles Überlebensfundament zu
sichern.
David Schneider-Addae-Mensah
Der Autor ist Rechtsanwalt in Hamburg, promoviert mit
einer Arbeit über friedliche Streitbeilegung im
Völkerrecht und ist Bundesvorsitzender der Jungen
Europäischen Föderalisten Deutschland (JEF).
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David Schneider-Addae-Mensah
Bundesvorsitzender Junge Europäische Föderalisten D
President JEF-Germany
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