From: Jan Seifert (janseifertde@t-online.de)
Date: Wed Jul 31 2002 - 13:13:54 CEST
Mittwoch 31. Juli 2002, 12:49 Uhr
BDI bemängelt Koordinationsmängel bei deutscher Europapolitik
Berlin (Reuters) - Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat
der Bundesregierung Versäumnisse in der europapolitischen Koordination
vorgeworfen. Deshalb komme es immer wieder zu verspäteten Reaktionen
Deutschlands auf Pläne der EU-Kommission.
BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg sagte am Mittwoch in
Berlin, die Koordinierungsmängel führten oftmals zu einer
"Hauruck-Interessensvertretung" von deutscher Seite, gerade in
wirtschaftlichen Angelegenheiten. Er schlug vor, die Koordination für
die wirtschaftlichen Belange der Europapolitik künftig dem
Bundeswirtschaftsministerium und nicht mehr dem Bundesfinanzministerium
zu überlassen. Zugleich warnte von Wartenberg vor der Aufweichung des
Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der eine wesentliche
Grundlage für eine angemessene Geldpolitik der Europäischen Zentralbank
(EZB) sei.
Grundsätzlich sieht der BDI nach von Wartenbergs Worten in den
europapolitischen Vorstellungen von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP keine
bedeutsamen Unterschiede, wenn auch unterschiedliche Nuancen. "Man kann
davon ausgehen, dass das europäische Ausland mit Kontinuität (von
deutscher Seite) zu rechnen hat", sagte von Wartenberg mit Blick auf
die Bundestagswahl. Er bekannte sich zur geplanten Erweiterung der
Europäischen Union (EU), die aber institutionelle Reformen der
Gemeinschaft nötig mache. Ein "Junktim" zwischen der Erweiterung und
der dringlichen Reform der EU-Agrarpolitik sollte aber nicht
hergestellt werden, um sich dadurch nicht erpressbar zu machen.
BDI: EUROPAPOLITISCHE KOORDINATION FEHLT
Von Wartenberg würdigte, dass sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)
in der EU in wichtigen Einzelfragen wie etwa der Übernahmerichtlinie
für die industriepolitischen Belange Deutschlands eingesetzt habe. Es
gebe aber eklatante Mängel in der europapolitischen Koordinierung.
"Diese offensichtlichen Mängel in der Koordinierung sind nicht Sache
allein dieser Regierung", stellte von Wartenberg klar. Sie führten aber
dazu, dass deutsche Interessen "oft erst dann, wenn es zu spät ist" in
Brüssel vertreten würden. "Man muss frühzeitig versuchen, an den
entscheidenden Stellen (in Brüssel) Einfluss zu nehmen." Eine
"Hauruck-Interessensvertretung", wie sie manchmal Bundeskanzler
Schröder nachgesagt werde, sei zumeist aber wenig wirkungsvoll.
WIRTSCHAFTSMINISTERIUM SOLLTE KOORDINIEREN
Von Wartenberg regte an, das Bundeswirtschaftsministerium hier "wieder
besser in Stellung zu bringen". Das Ressort habe sowohl das Personal,
als auch die Ausstattung und Kompetenz, um diese Koordinationsfunktion
zu übernehmen. Das Finanzministerium orientiere sich zu stark an rein
fiskalischen Fragen. Auch eine im Kanzleramt angesiedelte Koordination
halte der BDI im Prinzip für sinnvoll. Entscheidend sei, dass die
Koordinierungsmängel behoben würden.
Der BDI sprach sich für den zügigen EU-Beitritt der entsprechenden
Kandidatenländer aus. Hinsichtlich der Beitrittszeitpunkte solle das
Prinzip der "Differenzierung nach Beitrittsreife" gelten. Vorrangig bei
den zuvor erforderlichen EU-Reformen sei die Neuordnung der
Agrarpolitik, wobei der BDI die Vorschläge der Kommission dazu
unterstütze.
BDI WARNT: NICHT AM STABILITÄTSPAKT RÜTTELN
Von Wartenberg mahnte, der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt
dürfe nicht gelockert werden. Das Ziel, bis 2004 nahezu ausgeglichene
Staatshaushalte zu erreichen, dürfe nicht in Frage gestellt werden. Es
aufzugeben, würde Glaubwürdigkeit kosten. Es sei aus
gesamtwirtschaftlichen Gründen, nicht zuletzt um wieder Spielraum für
öffentliche Investitionen zu schaffen, nötig, die Neuverschuldung der
EU-Staaten zu reduzieren.
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