Euro-Blair

From: Marc-Oliver Pahl (info@mopahl.de)
Date: Sat Nov 24 2001 - 10:39:28 CET


Berliner Zeitung

Samstag, 24. November 2001

Blair für stärkere Integration Großbritanniens in die EU

Premierminister kritisiert britischen Euro-Skeptizismus

Tom Levine

LONDON, 23. November. Der britische Premierminister Tony Blair will
seine Landsleute auf einen proeuropäischen Kurs einschwören. "Es ist Zeit
für uns, uns an die Realität anzupassen. Großbritanniens Zukunft liegt in
Europa", erklärte der Labour-Chef am Freitag in einer viel beachteten Rede
vor dem Europäischen Forschungsinstitut (European Research Institute) in
Birmingham.

Blair zog eine negative Bilanz aus der Geschichte der britischen
Europapolitik nach dem Krieg: "Die Tragödie der britischen Politik - für
Großbritannien - war, dass die Politiker beider Parteien (der Tories und
Labours) fortlaufend daran gescheitert sind, die sich offenbarende Realität
der europäischen Integration zu begreifen", sagte Blair mit Blick auf die nur
zögerliche Annäherung an die Idee der Europäischen Gemeinschaft in den
fünfziger Jahren. Sie seien von der "Illusion" geleitet worden, dass die
europäische Integration scheitern werde. "Damit haben sie die Interessen
Großbritanniens verletzt."

Blair wandte sich gegen den aus den Frühzeiten der Europäischen
Gemeinschaft stammenden britischen Euro-Skeptizismus, der, "eine
angesichts der Entwicklungen beschämend lange Geschichte" habe. Keine
Bilanz der von London gemachten europolitischen Fehler aber würde die
Euro-Skeptiker davon überzeugen, dass ihre Angst vor dem Kontinent
fehlgeleitet sei.

Anders als von britischen Euro-Anhängern erhofft, machte Blair in diesem
Zusammenhang allerdings keine neuen Aussagen hinsichtlich eines britischen
Eintritts in die europäische Währungsunion. In dem einzigen Absatz zu
diesem Thema bekräftigte Blair die abwartende Haltung seiner Regierung,
die offiziell mit "wirtschaftlichen Bedingungen" erklärt wird, die für einen
Beitritt beiderseits erfüllt werden müssten. Die fünf im Oktober 1997
aufgestellten Testfragen blieben unberührt, so Blair, der unterstrich, dass
eine letztendliche Entscheidung über einen Beitritt zum Euro-Gebiet in einer
Volksabstimmung fallen würde. Euro-Skeptiker gehen dennoch davon aus,
dass die Birmingham-Rede im größeren Zusammenhang einer
Pro-Euro-Kampagne steht.

Demoskopen hatten wiederholt unterstrichen, dass Blair ein Referendum
über den Euro nur gewinnen kann, wenn sich im Wahlvolk die grundsätzlich
Euro-skeptische Haltung verändern würde. Kampagnenveteranen wie der
Chef des Meinungsforschungsinstituts mori, Robert Worcester, hatten
empfohlen, dass die Regierung alsbald damit beginnen müsse, allgemein
Werbung für die europäische Einigung zu machen. Erst im nächsten Jahr, so
Spekulationen in der britischen Presse, dürfte sich die Labour-Regierung
darüber verständigen, ob sie ein Referendum über den Euro abhalten und
gewinnen kann.

Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass sich dann der in den vergangenen
Jahren Euro-skeptischer gewordene Schatzkanzler Gordon Brown aus
wirtschaftspolitischen Gründen gegen einen Beitritt aussprechen wird. Ohne
Browns Unterstützung könnte Blair eine Euro-Kampagne aber schon in der
eigenen Partei nicht durchsetzen, in der der Schatzkanzler eine wichtige
Hausmacht unterhält. Das Verhältnis zwischen den beiden Spitzenpolitikern
gilt als derzeit besonders angespannt, auch wenn beide dies in den
vergangenen Tagen öffentlich bestritten hatten.

In der Umgebung Browns wird befürchtet, dass der gegenwärtig besonders
populäre Blair einen Alleingang gegen seinen Schatzkanzler wagen könnte.
Auf Grund genau dieses Streites wusste die Europa-kritische britische
Boulevardzeitung "Sun" am Freitag zu berichten, dass sich Blair und Brown
darauf geeinigt hätten, die Euro-Frage mit den nächsten Unterhauswahlen
zu verknüpfen. Gewählt wird erst 2005.



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