Re: Anhörung im BT

From: Jan Seifert (email@jan-seifert.de)
Date: Wed Jun 19 2002 - 23:52:30 CEST


ich finde lutz' punkte alle sehr unterstützenswert udn möchte auch noch
einmal darum bitten, dort nicht gleich mit den hammerforderungen
(europäischen bundesstaat schaffen) aufzutreten sondern mit punkten, die
auch im konvent erreicht werden können und die im moment diskutiert werden.

unsere 2 hauptforderungen müssen in meinen augen sein:
politisierung des konvents (politische gruppenbildung)
referendum zum ergebnis

At 20:34 19.06.2002 +0200, Lutz Hager wrote:
>Hallo David und Zugeschaltete,
>
>ich finde, wir sollten uns bei der Anhörung im BT nicht darauf
>beschränken, unseren Würzburger Beschluss zu präsentieren. Da ich auch
>von Vertretern mehrerer NGOs in letzter Zeit auf die JEF-Position
>angesprochen worden bin, halte ich es für wichtig, wenn wir unseren
>Beschluss für die Anhörung
>a) mit den aktuell wenig ermutigenden Nachrichten aus dem Konvent
>zusammenbringen und
>b) auf einige Thesen zuspitzen, die wir dann klar und
>argumentationsstark rüberbringen. Dazu zählt für mich vor allem die
>Kernthese, daß das Europa der Staaten an sein Ende gekommen ist, es
>ein Europa der Bürger aber nur als ein föderalistisches und
>demokratisches Europa geben wird.
>
>Ich wollte ein paar Vorschläge machen und hoffe, daß wir in den
>nächsten Tagen intensiver diskutieren können, um David eine möglichst
>gute Vorlage mit auf den Weg zu geben.
>
>1. Warum ist das Ziel Verfassung für uns so entscheidend? Weil wir
>damit die Union von den Mitgliedsstaaten losbekommen und als
>eigenständige politische Kraft und Entscheidungsebene etablieren
>können. Erweiterung geht nur mit Vertiefung, sonst bricht die Union
>auseinander. Das ist die Vorbedingung für
>a. effektives Handeln und
>b. Zustimmung der Bürger zur Integration, die unmöglich zu gewinnen
>ist, solange die EU Abladefläche für nationale Sonderinteressen
>(Landwirtschaft etc) ist.
>
>2. Wie kann die Union als unfertiges Gebilde (sui generis ...) eine
>Verfassung bekommen? Die Verfassung ist als offen und als ein Prozess
>zu verstehen. Europa ist mit diesem oder einem anderen "basic treaty"
>nicht fertig, sondern offen für die Aufgaben der Zukunft. Der Konvent
>ist als Verfassungsgeber nur dann legitimiert, wenn die Bürger die
>mangelhafte Öffentlichkeit später einholen und aufholen können, indem
>sie sich in den Reformprozess einschalten. Eine offene Verfassung
>heißt:
>a) Kompetenzen werden nicht auf ewig festgeschrieben, sondern es gibt
>ein Verfahren zu ihrer Ergänzung und Anpassung
>b) der Verfassungsvertrag ist ergänzungsfähig. Auch hierfür muss es
>ein Verfahren geben, das vor allem Wert auf Einbeziehung der Bürger
>legt, so per obligatorischen Verfassungsreferendum für jede von
>parlamentsseite beschlossene Revision
>
>3. Wie kann man das erklärte Ziel von mehr Bürgernähe erreichen? Wie
>wird die Union zu einer Union (der Staaten und) der Bürger? Die europ.
>Integration war bislang ein zwischenstaatlich ausgehandeltes Projekt
>westeuropäischer Eliten, die so den Steuerungsverlust der europ.
>Nationalstaaten auffangen wollten. Diese Periode ist an ihr Ende
>gekommen, weil die Eingriffe auf europ. Ebene so tiefgreifend werden,
>daß sie nicht mehr aus den nationalen politischen Systemen der
>Mitgliedstaaten heraus legitimiert werden können (bei Bedarf kann ich
>das noch ausführen). Die Integration kann deshalb nicht mehr nur auf
>den Schultern der Eliten ruhen, sondern muss ebenfalls von einer
>breiteren Öffentlichkeit geschultert werden. Demokratie kann mit drei
>Mechanismen gestärkt werden:
>a) Subsidiarität/Föderalismus. Politische Integration gelingt (oder
>scheitert) auf der lokalen Ebene. Dort muss so viel
>Entscheidungskompetenz hin wie möglich
>b) Parlamentarisierung der EU wie wir es seit langem fordern
>c) direkte Mitbestimmung per Volksentscheid bei Verfassungsänderungen,
>aber auch per Initiative von den Bürgern ausgehend.
>
>4. Wie kann der Konvent eine offene, förderale, demokratische
>Verfassung erarbeiten und durchsetzen?
>Im Konvent passiert zur Zeit wenig. Die Diagnose von Altmaier war
>niederschmetternd. Das liegt
>a) an der unklaren Ziel- und Aufgabenstellung
>b) an der schlechten Organisation der Konventsarbeit
>Energien für die Belebung letzterer würde man freisetzen mit der
>besseren Bestimmung der Verbindlichkeit des Ergebnisses. Bis jetzt
>sieht es so aus, als ob die Konventsvorlage in einer der obskuren
>Regierungskonferenzen versickern könnte und das mickrige Resultat dann
>durch die nationalen Ratifizierungsprozesse läuft. Dem muß der Konvent
>selbst einen Riegel vorsetzen und sich damit selbst unter höheren
>Erfolgsdruck setzen. Das kann errreicht werden, indem er das Volk zur
>Hilfe ruft. Gegen die Regierungskonferenz kann er sich nur mit dem
>Appell ans Volk zur Wehr setzen, und zwar als Forderung einer
>Volksabstimmung über den Konventsentwurf. Ich stelle mir das als
>politsiches und nicht juristisches Verfahren vor: eine Befragung aller
>EU-BürgerInnen zum Vertragstext. Das Ergebnis ist ein politischer
>Indikator, der dann in die Regierungskonferenz und die nat.
>Ratifizierungsprozesse einfließen wird. Wenn die reformierte und
>erweiterte EU als Union der Staaten und Bürger geboren werden soll,
>dann nur in einer europaweiten Volksbefragung. Sonst ist das nur die
>Fortsetzung der alten Methode mit leicht veränderten Mitteln.
>
>Soweit in Kladde meine Anregung. Etwas lang ist sie geraten. Ich
>hoffe, ihr fühlt euch dennoch von der ein oder anderen Passage
>angesprochen.
>
>Viele Grüße
>Lutz
>
>
>
>
>Lutz Hager mailto:lhager@zedat.fu-berlin.de



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